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Der Feind

Der Feind
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Erläuterung

Das Ziel dieser Erfahrung ist das Erlangen einer Versöhnung mit der Vergangenheit, besonders mit einer Person, bei der Ressentiment als Folgeerscheinung geblieben ist. Die Nützlichkeit einer solchen Versöhnung ist offensichtlich und sie wird sich nicht nur wohltuend auf unser äußeres Verhalten auswirken, sondern es wird auch erlauben, bedrückende Geistesinhalte zu integrieren und zu überwinden.

Geleitete Erfahrung

Ich bin mitten in der Stadt zum Zeitpunkt des größten Betriebs des Tages. Ich sehe den Verkehr und die Leute, die sich eilig bewegen. Auch ich habe es eilig.

Plötzlich ist alles wie gelähmt. Nur ich allein bewege mich. Jetzt sehe ich mir die Leute genauer an. Ich beobachte erst eine Frau und dann einen Mann. Ich gehe um sie herum. Ich sehe sie mir aus der Nähe an. Dann steige ich auf ein Autodach und sehe von dort aus umher, wobei ich feststelle, dass Ruhe herrscht.

Ich überlege einen Moment und stelle dann fest, dass die Personen, die Fahrzeuge und alle möglichen Dinge mir uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Sofort beginne ich alles zu tun, was mir einfällt; ich mache es wie besessen, bis ich völlig erschöpft bin.

Ich erhole mich ruhig und mir fallen neue Sachen ein, so dass ich wieder ohne Hemmungen tue, wozu ich Lust habe.

Aber wen sehe ich da! Keinen geringeren als jenen, mit dem ich noch so manche Rechnung zu begleichen habe. Ja, ich glaube, das ist die Person, die mir in meinem Leben am meisten Schaden zugefügt hat ...

Da das nicht unerledigt bleiben kann, berühre ich meinen Feind und merke, dass das Leben in ihn zurückkehrt. Er sieht mich entsetzt an und versteht die Situation, aber er ist gelähmt  und kann sich nicht wehren. Deshalb sage ich ihm alles, was ich ihm zu sagen habe und verspreche ihm sofortige Revanche.

Ich weiß, dass er alles hört, aber nicht antworten kann; so beginne ich, ihn an alle jene Situationen zu erinnern, in denen er so negativ auf mich einwirkte. (*)

Während ich mit meinem Feind beschäftigt bin, nähern sich Personen. Sie beginnen, meinen Feind zu bedrängen und dieser antwortet unter Tränen, dass er bereut, was er getan hat. Er bittet um Vergebung und kniet sich hin, während die neu Dazugekommenen ihn weiter ausfragen. (*)

Dann verkünden sie, dass ein solcher Mensch nicht weiterleben dürfe und deshalb verurteilen sie ihn zum Tod.

Sie wollen das Urteil gerade vollstrecken, als er um Gnade bittet. Da verzeihe ich ihm. Alle respektieren meine Entscheidung. Dann gehen die Ankläger weg; sie sind sich alle einig. Jetzt sind wir beide wieder allein. Ich benütze die Situation, meine Revanche fortzusetzen, während er völlig verzweifelt, d.h., ich sage ihm alles und mache mit ihm alles, was mir richtig erscheint.  (*)

Der Himmel verdunkelt sich stark und es beginnt, heftig zu regnen. Während ich unter einem Glasdach Zuflucht suche, sehe ich, wie die Stadt wieder lebendig wird. Die Fußgänger gehen, die Fahrzeuge fahren vorsichtig im Regen und im heftigen Sturm. Blitze und lautes Donnern liegen über der Szene, während ich durch die Glasscheiben blicke.

Ich fühle mich völlig entspannt, als ob ich innen leer wäre und beobachte, fast ohne zu denken.

In diesem Augenblick erscheint mein Feind, der Schutz vor dem Regen sucht. Er kommt näher und sagt zu mir: “Was für ein Glück, dass wir in einer solchen Situation zusammen sind!”

Er sieht mich scheu an. Ich tröste ihn, indem ich ihm sanft auf die Schulter klopfe, während er mit den Achseln zuckt.  (*)

Ich fange an, mir in meinem Innern die Probleme des anderen anzusehen. Ich sehe seine Schwierigkeiten, sein Scheitern im Leben, seine gewaltigen Frustrationen, seine Schwächen.  (*)

Ich spüre die Einsamkeit dieses menschlichen Wesens, das völlig durchnässt und zitternd neben mir Zuflucht sucht. Ich sehe ihn schmutzig und zerlumpt in einer pathetischen Verwahrlosung.  (*)

Ich sage ihm in einem Anflug von Solidarität, dass ich ihm helfen werde. Er schweigt, senkt den Kopf und schaut auf seine Hände. Ich merke, dass sich seine Augen trüben.  (*)

Der Regen hat aufgehört. Ich gehe auf die Straße und atme tief die saubere Luft ein. Gleich darauf entferne ich mich von diesem Ort.

Empfehlungen

Wir müssen die Widerstände und die Widersprüche beachten, die zwischen dem entstehen, was man tun und sagen möchte, und was sich schließlich in den Szenen abspielt, Wenn die Widerstände bei der Versöhnung nicht überwunden worden sind, sollte man die Erfahrung wiederholen.
Wir müssen beobachten, ob die in der Erfahrung zustande gekommene Versöhnung das Verhalten bezüglich des angesprochenen Problems verändert.

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