Der Tod
Erläuterung
Diese Übung zielt auf ein Vorgefühl der Transzendenz ab, indem sie sich auf Bilder und Empfindungen stütz, die jeder, auch wenn er diesen Dingen skeptisch gegenübersteht, erfahren kann. Gerade der Ungläubige hat hier Gelegenheit, ihm ungewohnte Bilder und Empfindungen zu mobilisieren, wodurch seine gewohnte, geistige Mechanik flexibel wird. Der Gläubige hingegen, oder derjenige, der schon Erfahrungen dieser Art hat, kann in der Übung ein stärkendes Motiv finden.
Geleitete Erfahrung
Ich glaube ich bin in einem Theater. Alles ist dunkel. Die Bühne wird allmählich erhellt, und siehe da ich befinde mich darauf.
Die Umgebung ist wie ein Filmschauplatz. Es gibt Fackellichter und im Hintergrund eine gigantische Waage mit zwei Hebelarmen. Ich glaube die Decke ist gewölbt und sehr hoch, denn ich kann nicht bis an ihr Ende sehen. Rund um den Mittelpunkt des Schauplatzes kann ich Steinwände, Bäume, und ein Moor erkennen. Vielleicht geht alles in einen sehr dichten Wald über. Überall gibt es Gestalten, die sich verstohlen bewegen.
Plötzlich ergreifen zwei, mit Kapuzen bedeckte Gestalten, meine Arme. Dann fragt mich eine tiefe Stimme:
- Woher kommst Du?
Ich weiß nicht was ich antworten soll, also erkläre ich ihnen ich käme von “innen”.
Was ist “innen”? fragt die Stimme.
Ich versuche zu antworten: “Da ich in der Stadt lebe, liegt das Land für mich “außen”. Für die Leute vom Land liegt die Stadt “außen”. Ich lebe in der Stadt, also “innen” und deshalb sage ich, ich komme von “innen” und jetzt befinde ich mich “außen”.
- Das ist albern, du betrittst unser Gebiet als kämmst du von “außen”. Das hier ist nicht auf dem Land, sondern dein “Innerstes”. Dachtest du nicht vielleicht dies sei ein Theater? Du hast das Theater betreten, das gleichzeitig in deiner Stadt liegt. Die Stadt, in der du lebst liegt außerhalb des Theaters.
- Nein - antworte ich - das Theater ist Teil der Stadt, in der ich lebe.
- Hör zu Du Unverschämter - sagt die Stimme - wir beenden diese lächerliche Diskussion. Zunächst einmal sage ich dir du lebst nicht mehr in der Stadt. Du hast in der Stadt gelebt, darum liegt dein “innerer” oder “äußerer” Raum jetzt in der Vergangenheit. Du befindest dich in einer anderen Raum-Zeit. In dieser Dimension funktionieren die Dinge auf eine andere Art.
Plötzlich erscheint vorne ein alter Mann, der ein Gefäß in seiner Rechten hält. Als er zu mir gelangt, steckt er die andere Hand in meinen Körper, als wäre dieser aus Butter. Dann entnimmt er als erstes meine Leber und legt sie in den Behälter, dann macht er weiter mit den Nieren, dem Magen, dem Herzen und schließlich entnimmt er völlig unprofessionell alles was er findet, bis das Behältnis überquillt. Ich meinerseits fühle nichts Besonderes. Die Gestalt dreht sich um und trägt meine Eingeweide zur Waage. Er legt sie auf eine der Schalen, die sich bis zum Boden hinunter senkt. Mir kommt der Gedanke ich sei in einer Metzgerei in der Tierkörperteile vor den Augen der Kunden gewogen werden. Tatsächlich versucht eine Frau, die einen Korb trägt, sich meiner Eingeweide zu bemächtigen, wird aber von dem Alten verscheucht, der sie anschreit: “Aber, was soll das denn? Wer hat dir erlaubt diese Stücke zu nehmen?” Die Gestalt steigt dann auf eine Trittleiter zur oberen Schale und legt eine Eulenfeder in die leere Schale.
Die Stimme wendet sich wieder mit folgenden Worten an mich: “Nun wo du tot bist und auf die Schwelle der Schattenwelt hinabgestiegen bist, wirst du dir sagen: “sie wiegen meine Eingeweide” und das wird wahr sein. Deine Eingeweide zu wiegen, bedeutet deine Handlungen zu wiegen.”
Die Gestalten mit den Kapuzen, die mich flankierten, lassen meine Arme los und ich beginne langsam, aber ohne eine bestimmte Richtung, loszugehen. Die Stimme fährt fort: “Die unteren Eingeweide befinden sich im ewigen Feuer. Die Wächter des Feuers sind immer wachsam und verhindern das sich diejenigen nähern, die du begehrst“.
Ich bemerke, dass die Stimme meine Schritte leitet und bei jeder Anspielung verändert sich der Schauplatz. Die Stimme sagt: “Zuerst wirst du die Wächter bezahlen. Dann wirst du ins Feuer eintreten und dich an die Leiden erinnern, die du in anderen durch die Bande der Liebe verursachst hast. (*)
“Du wirst die, von dir schlecht behandelten, um Vergebung bitten und du wirst nur gereinigt hinausgehen, wenn du dich versöhnt hast. (*)
“Also nenne die Betroffenen beim Namen und bitte sie darum dir zu erlauben ihre Gesichter zu sehen. Wenn sie einwilligen, höre ihren Ratschlägen aufmerksam zu, denn sie sind so sanft wie ferne Brisen. (*)
“Bedanke dich aufrichtig, breche auf und folge der Fackel deines Führers. Der Führer durchquert dunkle Gänge und erreicht mit dir eine Kammer, in der die Schatten jener aufbewahrt sind, denen Du im Laufe Deines Daseins Gewalt angetan hast. Sie alle befinden sich in derselben leidvollen Situation in der Du sie an jenem Tag zurückgelassen hast.“ (*)
Bitte sie um Verzeihung, versöhne dich und küsse sie einer nach dem anderen bevor du aufbrichst.
“Folge dem Führer, der genau weiß wie er dich zu den Orten deines Scheiterns führen kann, an die Orte der nicht wiedergutzumachenden starren Dinge. Oh Welt der großen Verluste, in der Lächeln und Entzücken und die Hoffnung deine Bürde und dein Scheitern sind! Betrachte deine lange Kette des Scheiterns, bitte den Führer darum (dafür bittet der Führer dich darum) all jene Illusionen langsam zu beleuchten (*)
“Versöhne dich mit dir selbst, verzeihe dir selbst und lache. Dann wirst du sehen wie sich aus dem Füllhorn der Träume ein Wind erhebt, der den Staub deines illusorischen Scheiterns ins Nichts weht. (*)
Plötzlich verändert sich der gesamte Schauplatz und ich befinde mich in einer anderen Umgebung in der ich vernehme: “Folge deinem Führer auch im dunklen und kalten Wald. Die Unglücksvögel streifen deinen Kopf. Im Sumpf schlängeln sich Fangschlingen um dich. Lass deinen Führer dich zur Grotte bringen. Dort kommst du nicht weiter ohne deinen Preis an die feindseligen Gestalten zu bezahlen, die den Eingang bewachen. Wenn du schließlich hinein gelangst, bitte den Führer nach rechts und links zu leuchten. Bitte ihn die großen Marmorkörper jener zu erleuchten, denen Du nicht verzeihen kannst. (*)
“Verzeihe jedem einzelnen von ihnen und wenn deine Gefühle wahrhaftig sind, werden sich die Statuen in Menschen verwandeln, die dich anlächeln und ihre Arme nach dir ausstrecken in einer Hymne der Dankbarkeit. (*)
“Folge dem Führer aus der Grotte heraus und schaue auf keinen Fall zurück. Lasse deinen Führer dort und komme hierhin zurück, wo die Handlungen der Toten gewogen werden. Nun schaue dir die Waagschale an auf der deine Handlungen liegen und siehe wie die Schale hoch steigt und deine Handlungen leichter als eine Feder sind.
Ich höre ein metallisches Ächzen, während ich sehe wie die Schale hochsteigt, in der sich das Behältnis befindet.
Und die Stimme folgert: “Du hast deiner Vergangenheit verziehen. Es wäre zu viel, wenn du jetzt noch nach mehr trachten würdest. Wenn dein Ehrgeiz dich weiter führt, kann es geschehen, dass du nicht in die Region der Lebenden zurück kehren wirst. Genug hast du mit der Reinigung deiner Vergangenheit. Und ich sage dir jetzt: “Wache auf und verlasse diesen Ort”.
Die Lichter des Schauplatzes erlöschen langsam, dabei fühle ich wie ich mich außerhalb jener Welt befinde und wieder in dieser Welt bin. Aber ich bemerke auch, dass ich in dieser Welt die Erfahrungen der anderen in mir trage.
Empfehlungen
Es werden keine Arbeiten zur Überwindung von Widerständen vorgeschlagen, da diese mit den jeweiligen Glaubensvorstellungen der Übenden verbunden sein können – und natürlich ist es nicht unsere Aufgabe, diese zu verändern.