Grundsatz der Ansammlung der Handlungen

Den Suchenden, dessen Leben eine Suche ist, zieht es in ein bestimmtes Dorf. Er folgt dieser Eingebung und wandert dort hin. Vor dem Eingang findet er einen wunderschönen Hügel vor mit einer durch einen Zaun eingegrenzten Fläche. Er geht durch das Tor und stellt irgendwann fest: Er ist auf einem Friedhof gelandet!
Überall zerstreut liegen weiße Steine. Dem Suchenden wird es ganz anders, als er die Inschriften liest: Auf den Grabsteinen steht auf Jahr, Monat und Woche genau, wie alt jemand geworden ist, also z. B. 7 Jahre, 11 Monate und 1 Woche. Der älteste der Verstorbenen kam kaum über 11 Jahre hinaus! „Dies muss also ein Kinderfriedhof sein“, vermutete der Suchende. Bestimmt lastet ein Fluch auf diesem Dorf.
Doch dann kam der Friedhofswärter, und die beiden kamen ins Gespräch. Der Dorfbewohner erzählte dem Suchenden von einem Brauch, der die Inschriften auf den Grabsteinen erklärte: Jeder Jugendliche im Dorf bekommt zu einem 15. Geburtstag von seinen Eltern ein kleines Heftchen. Dort hält er ab sofort jeden Moment fest, in dem ihm großes Glück widerfährt. Linkst trägt er ein, was ihn so glücklich macht, z. B. seine große Liebe zu treffen oder sie zu heiraten oder das ersten Kind zu bekommen. Und rechts trägt er ein, wie viele Stunden, Tage oder Wochen dieses Glück oder die Freude über solche Momente anhält.
So entsteht mit den Jahren eine Sammlung an Glücksmomenten. Wenn nun jemand stirbt im Dorf, so nimmt man sein Heft und zählt alle diese Momente zusammen. Daraus entstehen die Jahres-, Monats- und Wochen-Angaben, die man auf den Grabsteinen lesen kann. Diese Augenblicke des Glücks seien in den Augen der Dorfbewohner die wirklich gelebte Zeit, erläutert der Friedhofswärter.
Jorge Bucay
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